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MusikLeben 1 - Per Anders

Dorothée Arneth - Interview
STUZ  -  Studentenzeitung Mainz Wiesbaden

 

»Der wird noch einige Haken schlagen«

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Im tiefsten Winter in Berlin treffen Jörg Holdinghausen, Bassist von der Band Tele, und Pola Roy, Schlagzeuger von Wir sind Helden, auf Per Anders, einen kauzigen Waldschrat, der seine Abgeschiedenheit in Musik verwandelt und gerade sein erstes Album veröffentlicht. Jörg und Pola standen uns während der Tour von Wir sind Helden zum Interview zur Verfügung, um herauszufinden, wer Per Anders ist, wie die Zusammenarbeit entstand und wie man die Musik aufnehmen sollte. Das Interview führte Dorothée Arneth. Foto: Frank Eidel

STUZ: Wer oder was ist denn Per Anders? Ist das ein Alter-Ego von euch? Wie ist er zu charakterisieren?

Pola: Per Anders ist in erster Linie ein alter Waldschrat, der in den Wäldern Berlins haust. Da Jörg am Waldrand lebt und ich ihn dort immer besucht habe, haben wir ihn irgendwann mal getroffen und gemerkt, dass er ganz tolle Musik macht. Und dann hat er uns immer besucht und so ist das entstanden.

Jörg: Per Anders ist auch einer, der ganz untypisch keinen Winterschlaf hält, sondern wirklich nur im Winter lebt und im Sommer schläft.

Das hört man auch der Platte an. Ein kauziger Typ in einer Herbst/Winter Stimmung...

Pola: Der Großteil der Platte ist tatsächlich bei Jörg, der wirklich am Waldrand lebt, in Köpenick in seiner Wohnung entstanden im eisigen Winter. Der Ofen war noch nicht ganz an, es war einfach wirklich sehr kalt, als wir das aufgenommen haben.

Wie ist eure Zusammenarbeit entstanden? Ihr kennt euch schon länger?

Jörg: Wir kennen uns schon sehr lange. 12 Jahre, glaub ich. Als wir uns kennengelernt haben, haben wir auch gleich zusammen Musik gemacht. Aber dann haben wir uns für verschiedene Städte zum Leben entschieden und die Band, in der wir gespielt haben, ist auseinander gegangen. Wir hatten uns aber immer gegenseitig auf dem Schirm und wollten immer noch zusammen Musik machen. Dann kam der Erfolg von Pola mit Wir sind Helden, der die Zeit sehr knapp gemacht hat, ich habe mit Tele gespielt. Doch dann tat sich vor zwei Jahren so ein Fenster auf für uns beide. Zur gleichen Zeit hatten wir eine Pause in unserer Band und die haben wir sofort genutzt, um Musik zu machen.

Pola: Auch erstmal ganz absichtslos. Wir haben gar nicht geplant, dass wir eine Band oder sogar eine Platte machen. Es war eher so: Hey, lass uns zusammen in den Proberaum gehen, lass uns wieder zusammen spielen. Dann haben wir immer mal wieder zusammen Musik gemacht und irgendwann kam Jörg auf einmal mit den ersten Songs an und meinte: Ja, da müssen wir uns noch einen Sänger holen, aber wär doch geil, dann können wir die machen. Und dann hat er sie mir vorgesungen und vorgespielt und dann war mir sofort klar: Er muss die singen! Dann ging es ganz schnell. Es kamen ganz viele Songs und wir haben das innerhalb eines halben Jahres, in diesem einen Winter, geschrieben und aufgenommen.

Auf der Platte spielt Pola nur Schlagzeug und Jörg den ganzen Rest, von Gitarre bis hin zur Klarinette. Ein Multiinstrumentalist. War es denn so, dass du, Jörg, das Schlagzeug gebraucht hast oder hätte es auch eine Soloplatte werden können?

Jörg: Es ist alles andere als eine Soloplatte. Es ist tatsächlich unser Baby. Es mag vielleicht in die Irre führen, wenn man liest, dass ich alle Instrumente gespielt habe. Für mich ist es aber so, dass ich meine Stimme gar nicht gefunden hätte, wenn da nicht jemand gewesen wäre, der sie gehört hätte. Da war die Zusammenarbeit sehr eng. Ich hab ihn gebraucht, da er für mich die einzige Messlatte gewesen war und es war sehr schön, weil unser Ansatz war: Es geht uns nur darum, dass wir zusammen Musik machen und was finden, was uns beiden gefällt. Für mich war dann beim Schreiben immer die Überlegung da: Kann Pola damit überhaupt was anfangen? Dann sind die groben Ideen in den Proberaum gekommen und dann haben wir angefangen, das zusammen zu spielen. Völlig hanebüchen erstmal, wenn man den Mini-Disk hört, der nebenbei gelaufen ist, aber dann haben wir zusammen eine Vision für diese Musik entwickelt. Ich bin dann doch immer wieder in dieses Waldschrat-Kämmerchen gegangen, was man dieser Platte auch anhört. Mir ist tatsächlich ein Bart gewachsen, ich hatte die Jogginghose und einen Strickpulli an und hab von morgens bis abends mit meinen Instrumenten verbracht und hab da rumgespielt.

Die Musik von Per Anders ist eine ganz andere, als die von Tele oder Wir sind Helden. War es für euch eine Art Ventil oder ein Austoben, mal etwas anderes zu machen?

Jörg: Es war etwas sehr Natürliches. Ich würde nicht sagen, dass es eine Reaktion auf unsere Bands gewesen ist, sondern ein sehr Vorgang, der überhaupt keine Grenzen oder Ansätze hatte. In erster Linie war es unsere Ästhetik, der wir gefolgt sind. Auf der anderen Seite muss man schon sagen, wüsste ich jetzt nicht, warum es noch eine Band, die einer unserer beiden Bands ähnlich ist, geben sollte. Dann macht man doch lieber noch eine Platte mit Tele und eine mit Wir sind Helden.

Pola: Im nächsten Schritt muss man aber sagen, dass die Zusammenarbeit mit Per Anders den Sound der neuen Helden-Platte sehr beeinflusst hat. Viele akustische Elemente kamen auch dadurch, dass ich das mit Jörg gemacht hab und Judith das auch mitbekommen hat und bei einigen Songs auch mitgesungen hat. Zudem hat sie das auch irgendwie begleitet und sehr intensiv mitbekommen, wie das entstanden ist und hatte dann gleichzeitig eine Phase, in der sie sich sehr für solche Musik interessiert hat. Das hat dazu geführt, dass wir auf der Helden-Platte, auf der Jörg auch mitgespielt hat, diese Ästhetik auch reingetragen und die anderen Sachen befruchtet haben.

Welche Einflüsse stecken eigentlich genau in der Platte? Ich wusste nicht, wo genau ich es hinordnen sollte.

Jörg: Ich würde die Einflüsse auch nicht bei anderen Bands suchen. Pola hat immer mal wieder eine Band mitgebracht, wo er meinte, deine Stimme hört sich da ja an wie das hier. Meistens kannte ich die Sachen vorher gar nicht. Ein wichtiger Einfluss ist diese Zurückgezogenheit, der Raum, dieser Platz. Das war für mich ein unheimlich wichtiger Aspekt, dass ich sehr viel Raum hab, dass es nicht so schnell gehen muss, sondern es mit sehr viel Zeit und sehr viel Ruhe passiert. Der für mich wichtigste Einfluss war dieser Winter in Köpenick.

Auf dem Pressezettel wird die Musik ja als „Psychedelic Folk" beschrieben, was ich finde, vielleicht nur auf ein oder zwei Lieder zutreffen könnte. Ich hab mich da sehr schwer getan. Eigentlich ist das aber auch das Schöne daran, es nicht benennen zu können.

Pola: Es ist auch immer eine Reduktion, wenn man einer Band so ein Label geben muss. Die wenigstens Bands denken in solchen Kategorien, wir machen jetzt Funk-Rock und dann muss alles nur noch Funk-Rock sein. Die meisten, zumindest interessanten Bands haben Einflüsse, einerseits wo sie her kommen, andererseits was sie so aktuell geil finden. Es gibt ja auch immer Phasen, dann steht man total auf Synthies und alles muss Synthie sein und dann gibt's Phasen, da hat man genug davon und wendet sich davon ab. Dann gibt man dem ein Label. Das wird sich bei uns aber auch noch ändern. Wir arbeiten an der zweiten Platte, wir haben zumindest schon angefangen, die ersten Ideen zu sammeln. Das wird sich alles noch sehr verändern, aber ich bin gespannt, wo es noch hingeht. Dadurch, dass wir nur zu zweit sind, ist es ein sehr wendiges Fahrzeug. Da muss man dann nicht erst vier Leute davon überzeugen, dass das jetzt geil ist. Das ist dann eher: Hey, hast du da Bock? - Ja, ist geil! Und dann geht's los. Der wird noch einige Haken schlagen, der Herr Anders.

Wo du es schon ansprichst, wie es mit euch weitergeht. Eine zweite Platte ist geplant, aber Auftritte werdet ihr eher nicht haben. Stell ich mehr sehr aufwendig vor.

Jörg: Das wäre sehr aufwendig. Zum einen, wenn man es macht, dann will man es auch richtig machen. Es sind ja auch skurrile Besetzungen auf der Platte drauf, wenn man sich das so anhört. Bei ‚Stay There‘ bräuchte man drei Kontrabassisten, drei Klarinettisten, einen E-Bassisten und einen Schlagzeuger, wenn man das mal so präsentieren wollte. Das wäre recht aufwendig. Im Moment sind wir auf Tour und es passieren viele Dinge neben Per Anders. Da aber eben die nächste Platte ganz akut gemacht werden will, haben wir uns entschieden, wird das jetzt in diesem Winter passieren. Auch wieder ohne Vorzeichen, außer dass wir Musik zusammen machen und versuchen, was zu finden, was uns beiden gefällt. So geht's weiter: mit Musik machen.

Und nun zum Schluss: Wenn ein musikbegeisterter Mensch eure Platte in die Hände bekommt, wie sollte er mit Per Anders umgehen, bzw. wie möchte Per Anders, dass man mit ihm umgeht?

Jörg: Da die Musik so viel Zeit gekriegt hat, sich zu entfalten, ist es eine Platte, der es gut tut, wenn man sich Zeit für sie nimmt. Ich empfinde sie auch eher als Wohnzimmerplatte, die man Zuhause hört. Dass man sich ein bisschen Ruhe gönnt und sich die Platte reinzieht.

Pola: Es ist auch gut, wenn man sich ganz viele Platten kauft und sie nebeneinander hinstellt. Das gibt dann eine spezielle Energie, die dann sehr dicht wird.

Ich finde es aber auch eine sehr schöne Autofahrplatte.

Pola: Oh ja, sehr schöne Anregung: Beim Autofahrn.

Jörg: Ja, so bei Landschaften. Das stimmt. Oder Zugfahren.


Wer gerne selber im Wohnzimmer oder beim Autofahren sich in die Musik von Per Anders hineinhören will, der kann das Album in schöner habtischer Form über www.myspace.com bestellen. Und nur dort! Sonst gibt es die Lieder über diverse Portale als mp3 zu erstehen.





AK-Anie 27.10.2010
immergut.blog.de

Per_Anders

Ihr fragt euch, wer oder was Per Anders ist/sind? Natürlich haben sie etwas mit Musik zu tun, sonst wären sie hier fehl am Platz. Details liefert Judith Holofernes in wunderschönen blumigen Worten:

"Gerüchtehalber ist Per Anders ein zweiköpfiges Wesen. Eine mythische Kreatur also, die (was erstaunen mag) sowohl dem eher unbärtigen Jörg Holdinghausen, Bassist der Band Tele ähneln soll, als auch dem überaus bärtigen Pola Roy, Schlagzeuger der Band Wir sind Helden. Und ja, das könnte doch auch beinahe Sinn ergeben, sind doch diese beiden seid vielen Jahren eng befreundet, und hat doch eben jener Jörg gerade eben erst auf der Platte von eben jenen Helden Bass gespielt.
Am Ende ist aber alle Spekulation müßig. Denn in Wirklichkeit ist Per Anders wer anders.
Per Anders, ich kann es nicht anders sagen, ist ein Waldschrat. Ein schroffer, melancholischer, einsiedlerischer Typ, der große Teile seines Lebens damit zubringt, in den nebelverhangenen Wäldern von, ja wirklich, Köpenick herumzustapfen. Und wenn ich ihm bei aller Schroffheit ein romantisches Herz unterstelle, dann ist das wohl am ehesten meiner eigenen romantischen Veranlagung zu zu schreiben. Ich hab's ja mit den wortkargen Typen.
Und sooft ich Per Anders am Waldrand besucht habe, kann ich doch nicht behaupten, ihn wirklich kennen gelernt zu haben. Wenn wir zusammen waren, dann haben wir gesungen. Und ich habe ihm nie wirklich viele Fragen gestellt - nach seinen Ausflügen in die Wälder, seinen langen Wanderungen, von denen er oft tagelang nicht zurückkam. Was ich weiß, ist das: wenn er dann wieder aufgetaucht ist, dann hat er sich in seine ofengeheizte kleine 60er Jahre Siedlungs-Wohnung eingeschlossen, und Songs geschrieben. Und diese Songs tragen all den Nebel dieser Wälder in sich, sie haben Raureif im Bart und weite Lichtungen im Herzen. Und manchmal kann man, wenn man genau hinhört, auch eine Wildsau hören, eine gesengte, die durch eben jene Lichtungen prescht, dann kann einem ganz anders werden. Und man fragt sich, was er da wohl gemacht hat, der Herr Per. Schilfhütten gebaut, wahrscheinlich. Elfen getroffen. Vielleicht auch Pilze gesammelt.
Mir ist es am Ende des Tages egal - so lange ich sowohl Mann als auch Freund heil wiederhabe. Und wenn wir - Pola, Jörg und ich - zusammen in Jörgs Küche sitzen, in Köpenick, dann erinnert dort kaum etwas an Per. Außer vielleicht, ab und zu, eine Wildsau. Im Augenwinkel. Und die wunderschöne Platte mit zarten, dunklen, winterigen Liedern, die im Hintergrund läuft."

Nachdem ihr jetzt einen Eindruck bekommen habt, wie die Songs von Per Anders im Wald von Köpenick entstanden sind, jetzt mein bescheidenes Urteil zum Klang des englischsprachigen Liedguts:

Die insgesamt zehn Stücke des Debütalbums sind irre vielfältig und liebevoll intoniert. Erinnert die Atmosphäre in "Stay There" noch an The Cure und der Gesang von Jörg an Robert Smith mit "glockigerer" Stimme, klingt Per Anders in "Hold me" faszinierenderweise wie eine Mischung aus Belle and Sebastian und Simon and Garfunkel und im Song "Twighlight" entführt Holdinghausen unterstützt durch Judith Holofernes in mir völlig unbekannte Sphären der Seensucht. Überhaupt kommt die Platte herrlich schwermütig daher. Wohl dosiert ist die Mischung aus Schmerz und Liebe genau das richtige für diese Jahreszeit und allgmeine Wendungen im Leben. Mal folkig bis mittelalterlich, immer angenehm basslastig und an den richtigen Stellen dank schöner zarter Gitarren- und Piano-Motive sowie zauberhaft gehauchtem Gesang herzerwärmend. Die sonnigen Momente werden eindeutig durch Lieder wie "Sun Son" oder "Hold Me" - einfach schön. Sollte die eigene Stimmung jedoch eh schon im Keller sein, kann Per Anders auch wie ein Goldener Schuss wirken. Also, drückt den Play-Knopf auf dem Abspielgerät eurer Wahl mit Bedacht! Sollte die Stimmung aber genau richtig sein - so in etwa mittig, zwischen sanfter Melancholie und völliger Entspannung - lehnt euch zurück und genießt die "wintrige" Entschleunigung.

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