Regisseur Thomas Wendrich beantwortet Fragen zu seinem Debütfilm.
(► moviepilot, 26.2.2009)
Maria am Wasser ist das Regiedebüt von Thomas Wendrich, der bisher mit seinen preisgekrönten Drehbüchern (Freischwimmer, Nimm Dir Dein Leben) und dem Kurzfilm Zur Zeit verstorben Aufsehen erregte. In Maria am Wasser gewährt er erneut einen Blick in diese Welt voller magischer Momente und abgründigem Humor. Hier beantwortet er vier Fragen zum Film.
Der Panzer sinkt, die Kinder ertrinken und doch ist genau das in ihrem Film der erste Schritt in die Freiheit. Was war Ihr Motiv, die Geschichte mit dem Panzerunglück aufzuziehen?
Ich habe nach einem starken Zeichen gesucht, das den Untergang einer ganzen Epoche beschreibt. Da war mir der Panzer gerade groß genug. Zum einen ist er als Vehikel schon riesig, zum anderen steht er für etwas, das in der DDR typisch war: die Furchtlosigkeit allem Militärischen gegenüber. Die Kinder sind ja voller Freude auf den Schwimmpanzer gestiegen und waren arglos in jeder Hinsicht. Das waren doch Waffenbrüder, Freunde, Helfer. Dass ein Junge diese Möglichkeit nutzt, um zu verduften, ist für mich der Anachronismus und der Neubeginn zugleich. Und gerade da liegt die Möglichkeit über die bloße Wahrheit hinaus, der ich zugegebenermaßen sehr misstraue, etwas Originelles zu erzählen, das die Geschichte aus dem historischen Realismus in eine Welt der Bilder, des Traumes und der Phantasie führt.
In Neusorge scheint die Zeit still zu stehen. Warum dieser Ort, diese Kirche, diese Geschichte? Was ist Ihre Botschaft?
Den Zusammenbruch der DDR habe ich als einen der spannendsten Abschnitte meines Lebens empfunden. Auf einmal war alles bunt, die weite Welt zu Fuß erreichbar, das Leben wirklich ein Fest, ein Rausch. Doch während es für mich mit dem Studium und vielen Reisen nahtlos weiterging, kam für viele meiner Bekannten und Verwandten nach kurzer Zeit eine ziemliche Ernüchterung. Die Erkenntnis, dass die Zukunft, auf die wir vorbereitet worden sind, nicht stattfand, machte ihnen schwer zu schaffen. Und hier setzt der Film und seine Botschaft an: Das Ausbleiben der vorgeschriebenen Lebenswege als eine Chance zu betrachten und ihm nicht mit Angst und Misstrauen zu begegnen.
Ist Maria am Wasser ein typischer ‘Wendrich’?
Da es mein erster Langfilm ist, ist die Frage schwer zu beantworten. Er ist in insofern typisch, da er uns in eine Welt entführt, die ihre eigenen Gesetze hat. In meinen Geschichten suche ich nach geschlossenen Gesellschaften, in denen eine Anzahl von Personen ihr Glück sucht. Der Galgenhumor der Figuren ist vom Wissen um die Endlichkeit des Lebens geprägt.
Insofern ist Maria am Wasser ein typischer Film von mir.
Sie haben mal gesagt, der Film sei wie ein Brief aus einem untergegangenen Land. Was meinen Sie damit?
Wenn ein Bulgare über sein Land vor dem Fall der Mauer nachdenkt, dann denkt er über ein Land nach, das es heute noch gibt. Die DDR gibt es nicht mehr. Sie ist verschwunden. Geblieben sind ihre Menschen, ihre Zeichen, ihr Denken. Und das macht den Ort so reizvoll im Sinne der Geschichten, die daraus entspringen. Das ist wie ein Gewässer, das ständig etwas wegschwemmt, aber eben auch etwas dalässt. Manche suchen in den Resten nach Wahrheit, nach Beweisen, nach Akten und Belegen. Das interessiert mich nicht, da es im Sinne der eigenen Erfahrung nahezu bedeutungslos für mein Leben heute ist. Mich interessieren die subjektive Erinnerung und die ihr innewohnenden Fehler. Darin scheint mir der Film sehr klar, sehr gut lesbar. Eben wie ein Brief aus einem untergegangenen Land.