hdw
Samstag, 3. Oktober 2015
hdwNotiz Zitate II.


 


 

D.h. was ist, ist einfach und kann nicht
symbolisch repräsentiert und damit auf Distanz gebracht werden, eine Distanz, die dann bisweilen notfallmässig durch die Symptomatik hergestellt wird…

Gerhard Schneider: Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklung der Symbolisierungsfähigkeit… – Aus: ders. & Günter H. Seidler (Hrsg.); Internalisierung und Strukturbildung. Opladen: Westdt. Verlag, 1995. Neuauflage. Gießen: Psychosozial Verlag, 2013, S. 295.

Das zur Trennung […] gehörende Gefühl der Ambivalenz ist nicht vorhanden - Gefühle werden nicht zusammen, sondern nacheinander erlebt…
Jan Malewski: Zwischen Verbindung und Trennung. – Aus: Gerhard Schneider & Günter H. Seidler (Hrsg.); Internalisierung und Strukturbildung. Opladen: Westdt. Verlag, 1995. Neuauflage. Gießen: Psychosozial Verlag, 2013, S. 251.

Eine grobe Unfähigkeit seitens der Erwachsenen, sich als strukturschaffende Selbstobjekte zur Verfügung zu stellen oder als wachstumsfördernde Umwelt, die auf die legitimen Bedürfnisse des Kindes antwortet, stellt die früheste Schädigung eines sich entwickelnden Kindes dar.
Marian Tolpin: Injured self-cohesion. Developmental, clinical and theoretical perspectives. – Aus: James S. Grotstein et al. (Eds.); The Borderline-Patient. Hillsdale, NJ: Atlantic Press, 1987, S. 233-249. – Zitat S. 236.

… meiner Erfahrung nach ist es sinnvoll zu sagen, dass ein 'depressives Gefühl' der Ort ist, wo […] ein verlorengegangenes Objekt war und dass 'Raum' dort ist, wo Depression oder irgendeine andere seelische Regung zu sein pflegte.
R. Bion: Attention and Interpretation. London: Tavistock Publ., 1970, S. 10. – Zitiert nach Helen Schönhals: Strukturelle Veränderung des psychischen Raums. - Aus: Gerhard Schneider & Günter H. Seidler (Hrsg.); Internalisierung und Strukturbildung. Opladen: Westdt. Verlag, 1995. Neuauflage. Gießen: Psychosozial Verlag, 2013, S. 219-235. Zitat S. 219.

Nicht wissen, was einem gehört, bis man es weggeworfen hat.
Truman Capote: Frühstück bei Tiffany. Hamburg: Rowohlt, 1958 / 1994, S: 88. – Zitiert nach Jan Malewski: Zwischen Verbindung und Trennung. – Aus: Gerhard Schneider & Günter H. Seidler (Hrsg.); Internalisierung und Strukturbildung. Opladen: Westdt. Verlag, 1995. Neuaufl. Gießen: Psychosozial Verlag, 2013. S. 251.

Wie entwickelt ein Mensch die Fähigkeit, etwas, das in einem […] inneren Raum stattfindet, in eine Erfahrung des drei- und vierdimensionalen Raumes umzuwandeln, und wie wird diese Entwicklung behindert? Nach Bions Theorie verwandelt das aufnehmende Objekt (containing object) das, was dem Baby widerfährt, in eine sinnvolle Erfahrung, die emotional empfunden, gedacht und zum Ausdruck gebracht werden kann
Wenn alles gut geht in diesem Prozess, dann wird eine innere Welt errichtet, in der die aufgenommene (contained) emotionale Erfahrung den drei- und vierdimensionalen Raum herstellt, der für die Entwicklung symbolischen Denkens notwendig ist. Wenn dieser Prozess aufgrund von Schwierigkeiten entweder bei der Mutter (wegen ihrer ungenügenden Fähigkeit, etwas in sich aufzufangen/to contain) oder beim Baby (wegen mangelnder Frustrationstoleranz oder wegen Neid, Gier oder Angst im Übermass) fehlschlägt, dann kann das dazu führen, dass der Betreffende die Fähigkeit, drei- und vier- dimensionalen Raum zu erleben, nur mangelhaft ausbildet. Das Baby ist überwältigt von dem, was ihm widerfährt, und in dem Versuch, jenes containment zu finden, das es nötig hat, gerät es immer mehr unter den Zwang, nach Möglichkeiten zur projektiven Identifizierung zu such en. In dieser unglückseligen Situation gibt es allerdings "kein Konzept irgendeines Behälters (containers), in den hinein Projektion stattfinden konnte" (Bion 1970, S. 12). Je mehr der Prozess fehlschlägt, desto stärker wird das Bedürfnis zu projizieren. Alles eskaliert, es entsteht ein Teufelskreis. Im äussersten Fall kann es zu einer "explosiven Projektion" (Bion 1970, S. 12) in einen grenzenlosen, noncontaining astronomischen Raum fuhren, wo der Betreffende das Gefühl hat, in kleinste Stücke zersprengt zu werden. Bei Patienten, die ein mangelhaftes containment haben, ist es die Aufgabe des Analytikers, das containment zu bieten und damit die Überführung psychischer Existenz aus unermesslichem inneren Raum in die Grenzen drei- und vierdimensionalen psychischen Raumes. Das ist eine äusserst schwierige Aufgabe, und ein Grund dafür ist, dass der Analytiker für sich selbst und für den Patienten die Erfahrung in sich halten (contain) muss, dass er ein Objekt ist, das nichts in sich halten (contain) kann. Er muss imstande sein, die Erfahrung zu ertragen, dass er nicht denken kann, nichts weiss und nicht viel versteht, manchmal seinen "Verstand verliert", er muss aber auch imstande sein, seine Fähigkeit zu symbolischen Denkprozessen wiederzugewinnen, die solche Erfahrungen auffangen (contain) können.
Helen Schoenhals: Strukturelle Veränderungen des psychischen Raums. – Aus: Gerhard Schneider & Günter H. Seidler (Hrsg.); Internalisierung und Strukturbildung. Opladen: Westdt. Verlag, 1995. Neuauflage. Gießen: Psychosozial Verlag, 2013, S. 219-235. Zitat S. 219/220.

Wo aber nur Ordnung herrscht, dort ist der Tod. [Es gab] 'heilige Zeiten', die Ordnung kultisch aufhoben, um sie im ausbrechenden Chaos wieder regenerieren zu können. [Die starr organisierten Gesellschaften] mussten wenigstens zu bestimmen Zeiten durcheinander gebracht werden, um wieder assimilationsfähig zu werden. [Es ging um die Aufgabe], die chaotische Energie für das gesellschaftliche Leben nutzbar zu machen, indem die Symbol¬systeme stets von neuem mit Leben erfüllt wurden. Kultfeste waren der Ort, wo diese Umsetzung stattfand.
Mario Erdheim: Die Symbolisierungsfähigkeit und der Antagonismus zwischen Familie und Kultur. – Aus: Gerhard Schneider & Günter H. Seidler (Hrsg.); Internalisierung und Strukturbildung. Opladen: Westdt. Verlag, 1995. Neuauflage. Gießen: Psychosozial Verlag, 2013, S. 116-131. Zitat S. 119/120.

Wo aber ist das Chaos geblieben, ohne das keine Ordnung mit ihren Symbolen lebensfähig ist?
Meine These lautet, dass dieses Chaos aus der Gesellschaft in die Individuen versetzt wurde
und dass wir es heute in der Adoleszenz wiedererkennen können. Mit [dem Kulturwandel] kam es zu einer Dezentrierung und Subjektivierung des Chaos; das gemeinsam Verpflichtende [...] trat allmählich zurück,
und das Individuum musste nun selbst sehen, wie es mit dem Chaos, das in ihm ist, zurechtkommt und im Übergang von der Familie zur Kultur neue Symbolisierungsformen findet.
Mario Erdheim: Die Symbolisierungsfähigkeit und der Antagonismus zwischen Familie und Kultur. – Aus: Gerhard Schneider & Günter H. Seidler (Hrsg.); Internalisierung und Strukturbildung. Opladen: Westdt. Verlag, 1995. Neuauflage. Gießen: Psychosozial Verlag, 2013, S. 116-131. Zitat S. 120.


Das kaum auszuhaltende Fremde. Über Lernprobleme im Horror vacui
Horst Rumpf – In: Zeitschrift für Pädagogik, Jg. 44 (1998), H. 3, S. 331-341. (Pdf-Datei)
Abstract:
Der Autor beschäftigt sich mit dem Fremden, mit der Fremdheit, mit Befremdlichem insbesondere im Hinblick auf das Lernen. Folgende Umgangsformen mit dem befremdlich Andringlichen werden in grober Typisierung unterschieden:
1. Die Form des Neutralisierens. Das Befremdliche wird zur sachlich vermittelten Information entschärft. Es entstehen Scheinvertrautheit und Gleichgültigkeit.
2. Die Form des Subsumierens. In bezug auf die Lernkultur bedeutet das, "daß möglicherweise aufstörende oder erschreckende Begebenheiten der Geschichte, der Natur, der Kunst von vornherein nur als Illustrationsfall allgemeiner Gesetzlichkeiten vorgeführt werden - oder aber, daß sie zugleich mit der einordnenden Deutung, Erklärung, Wertung auftauchen: Die Auseinandersetzung mit der befremdlichen Sache selbst ... wird eingespart, der Anschein der Berührung wird gewahrt."
3. Die Form des Assimilierens. "Der Widerstand der befremdlichen Sache gegen die in Kopf und Herz verfügbaren Einordnungsmittel wird nachhaltiger spürbar", so daß Fragen und Beunruhigungen entstehen. Die eigenen Schemata werden durch die Erfahrung, daß sie die Sache nicht mehr "voll in den Griff" bekommen, fragwürdig. Diese sind deshalb zu verändern, ebenso die Sache neu zu sehen, so daß sich beide Seiten zu ähneln beginnen. Damit verblaßt die Differenz zum Fremden.
4. Die Form des Akkomodierens. Dies wird als das "bewegliche, verunsichernde, tolerante Staunen" umschrieben, ein Staunen über das Fremde, das nicht zur subsumierenden bzw. assimilierenden Vereinnahmung führen kann, "sondern den Schrecken, die Schwebe aushält". ... Kultur wird dabei als das bezeichnet, "was in der Auseinandersetzung mit dem Fremden entsteht, sie stellt das Produkt der Veränderung des Eigenen durch das Fremde dar." (DIPF/Sch.)



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